Bedrohtes Urwald-Paradies

Mit Geld vom Botanischen Garten in Basel entstand im Nordwesten Ecuadors ein Urwaldreservat, das einen enormen Orchideenreichtum aufweist. Doch dort gibt es auch Gold und Silber.                                                                                                                                                                                                                                                        

Tafel einer Bergbaugesellschaft im Dracula-Reservat.
Mindestens elf Bergbaukonzessionen gefährden das Naturreservat in Ecuador. (Fotos: zVg)

Urwälder sind weltweit unter Druck. Dass selbst Regenwälder in Schutzgebieten nicht sicher sind, zeigt ein Beispiel aus Ecuador. Seit vier Jahren gibt es im Nordwesten des südamerikanischen Staats, in der Provinz Carchi, das Dracula Forest Reserve (Dracula-Waldreservat), das einen enormen Reichtum an Orchideen aufweist. Es wurde mit massgeblicher finanzieller Unterstützung des Botanischen Gartens Basel aufgebaut und umfasst mittlerweile eine Fläche von 1500 Hektaren.

Wie die südamerikanische Umweltzeitung «Mongabay Latam» Ende Mai berichtete, ist das Reservat durch mindestens elf Bergbaukonzessionen in der Umgebung bedroht, vier davon sogar innerhalb des Reservats. Sieben Konzessionen gehören der australischen Solgold, die restlichen der staatlichen ecuadorianischen Minengesellschaft Enami.

Der Abbau von Gold und anderen Edelmetallen drohe die enorme Vielfalt der Orchideen –weit über 400 Arten – markant zu schmälern und den Schutz des Gebiets in Frage zu stellen, schreibt die Umweltzeitung. Ist also zu befürchten, dass ein Naturjuwel auf Kosten von Gold, das wir uns an den Finger stecken oder vielleicht sogar als Barren in einen dunklen Tresor sperren, zerstört wird? Oder zumindest an Glanz verliert?

Skrupellose Methoden

Heinz Schneider, Botanikdozent der Uni Basel und Kustos des Botanischen Gartens, bestätigt den Sachverhalt: «Die Vergabe der Konzessionen ist für uns ein herber Rückschlag». Schneider hat das Schutzprojekt von Basler Seite her betreut und war zuletzt im Februar in Ecuador. Vertreter von zwei Bergbaufirmen, welche mit zahlreichen Subunternehmen operieren und lokale Mitarbeitende einspannen, seien vor Ort aufgetaucht. Diese machten zunächst Probebohrungen und würden oft skrupellos vorgehen. So würden sie ohne Erlaubnis auf fremdes Land und auch ins Schutzgebiet eindringen.
Das Reservat besteht aus drei voneinander getrennten Zonen in verschiedenen Höhenlagen – und die Grenzen verlaufen sehr gewunden. «Vielleicht ein wenig so wie beim Kanton Solothurn», sagt er lachend. Deshalb seien sie nur schwer zu kontrollieren. Drei Ranger des Reservats, das der ecuadorianischen Stiftung Ecominga gehört, haben nun ihre Patrouillen verstärkt.

Es droht ein grossflächiger Kahlschlag

Die Bergbauunternehmen richten mit der grossen Kelle an und können auch bessere Preise für den Landkauf bezahlen. «Innerhalb unseres Schutzgebiets wurde eine Parzelle, welche uns noch nicht gehörte, an eine Minenfirma verkauft.» Auch hat er bei seinem letzten Besuch in Ecuador beobachtet, dass auf einem benachbarten Grundstück Zufahrtsstrassen gebaut wurden. Von Nachhaltigkeit, wie sie die börsenkotierte Solgold auf ihrer Website verspricht, hat Schneider jedenfalls nichts bemerkt.

Wenn der Goldanteil im Gestein genügend hoch ist oder Silber gefunden wird, versuchen die Bergbauunternehmen das Land zu erwerben. Und es kommt zu grossflächigem Holzschlag und auch zum Einsatz chemischer Substanzen, die das Grundwasser verschmutzen. Die Vergabe der Bergbaukonzessionen erfolgte bereits unter Präsident Rafael Correa. Sein Nachfolger Lenin Moreno, seit drei Jahren im Amt, will den Bergbau in dem armen Andenstaat weiter fördern. Der Staat verdient laut Schneider dabei kräftig mit, er erhält die Hälfte des Erlöses.

Fast wäre das Geld nach Indonesien geflossen

Seinen Namen hat das Dracula Forest Reservat von der Gattung der Dracula-Orchidee, welche in diesem Gebiet in sehr vielen Arten vorkommt. Es war ein Herzensprojekt von Schneider: Nach dem Grosserfolg der Titanwurz-Ausstellung im Botanischen Garten Basel (die Pflanze mit riesigen Blüten und aasigem Geruch) in den Jahren 2011 und 2012 war noch Geld vorhanden: Dieses wollte er in ein Naturschutzprojekt stecken. Weil ihm die Lage in Indonesien, wo der Titanwurz herkommt, zu instabil erschien, entschied er sich für das Projekt Ecuador.

Eine im Reservat vorkommende Nebelwald-Orchidee (Odontoglossum cirrhosum).

War es also ein Fehler, das Geld (bisher 520'000 Franken aus Basel, zum Teil auch von Privaten) dort zu investieren? «Wenn wir das Urwaldgebiet zusammen mit US-amerikanischen Partnern nicht gekauft hätten und weiter kaufen würden, wäre es in ein paar Jahren kahl geschlagen», sagt Schneider. Das Gebiet zeichne sich durch ein intaktes Ökosystem aus – es gibt neben den Orchideen zum Beispiel auch Affen, Brillenbären, Pumas, Ozelots und eine noch unerforschte Vielfalt an Fröschen.

Schneider will Schutzzone vergrössern

Schneider will im Herbst eine neue Fundraisingkampagne starten, um zusätzliches Land zu kaufen und die getrennten Schutzzonen wenn möglich zu verbinden. «Wir geben nicht auf, aber müssen vielleicht unsere Erwartungen etwas senken», sagt er.

Der lokalen Population der Klammeraffen, die auf grosse zusammenhängende Waldstücke angewiesen ist, könnten der Bergbau und die damit verbundene Entwaldung jedenfalls den Todesstoss versetzen.