Isegrim im Ständerat – eine Glosse

Der Ständerat gilt gemeinhin als «chambre de réflexion». In einer Debatte über eine Motion von Ratsmitglied Jean-René Fournier am Mittwoch erwies er sich aber als «chambre des émotions». Der Grund für einen Schlagabtausch waren nicht Lohnexzesse von Bankern oder Steuererleichterungen für Superreiche – es ging um Raubtiere, die viel grössere Flurschäden anrichten: die Wölfe. Meister Isegrim hat im Wallis offenbar ganze Landstriche erobert und steht schon vor den Toren der Kantonshauptstadt Sitten.

Diesen Eindruck konnte jedenfalls gewinnen, wer der Diskussion folgte. Motionär Fournier, der früher bei der UBS Karriere machte und in der Armee den Rang eines Majors der Gebirgsinfanterie bekleidet, blies zum grossen Halali: «Der Wolf ist in der Schweiz seit einigen Jahren nicht mehr nur als Einzelgänger, sondern auch in Meuten präsent», sagte der Walliser CVP-Ständerat. Er forderte deshalb, das Raubtier in der Schweiz wieder zur Jagd freizugeben. Zu gross seien die Schäden, die Wölfe an Schafherden anrichteten. Als Walliser Regierungsrat hatte «der Gouverneur», wie der Mann in seiner Heimat genannt wird, einen Wolf zum Abschuss freigegeben und danach ausstopfen lassen und in sein Büro gestellt.

Animalisch

Der Bündner Ständerat Theo Maissen, der die Schweiz im Parlament des Europarats vertritt und also mit Menschenrechtsfragen vertraut ist, stimmte ihm zu: «Die Wölfe greifen an den Weichteilen und an den Eingeweiden an und dann verenden die Schafe kläglich», heulte er mit den Wölfen. «Das passt einfach irgendwie auch nicht in unseren Tierschutzgedanken hinein», fügte er laut dem offiziellen Wortprotokoll hinzu. Nur schade, dass die Wölfe das Tierschutzgesetz nicht lesen. Bundesrat Moritz Leuenberger empfahl, die Motion abzulehnen. Er versuchte, die Diskussion mit Humor zu nehmen: «Wir haben den Wolf nicht gerufen; er ist eingewandert und hat sich nicht im richtigen Flüchtlingszentrum gemeldet.»

Menschlich

In der Motion werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, leistete der grüne Ständerat Robert Cramer dem Umweltminister Schützenhilfe. Der Genfer Politiker begrüsste es aber, dass das Stöckli nicht bloss über Banken und Krankenkassen diskutiere. Das Reden über Tiere mache den Ständerat ein wenig menschlicher, wollte er wohl sagen. Die Mehrheit hielt es aber mit dem Glarner This Jenny: Wenn es von etwas zu viel gebe, müsse man «Remedur schaffen», forderte er. «Mäuse, Tauben in den Städten, Dachse in Wohngebieten, all das kann zur Plage werden», erklärte er. Genauso sei es auch mit dem Wolf. Der Rat folgte dieser Argumentation und nahm die Motion mit 18 gegen 13 Stimmen an. Nun ist die Grosse Kammer am Zug.

Wölfe gibt es übrigens rund 15 bis 20 in der Schweiz. Ständeräte sind es gut doppelt so viele. Nach dieser Debatte kam sich manch einer unter ihnen vor wie durch den Wolf gedreht – erledigt!